Die Kindheit
Teenager
Als ich am 24. August im Jahre des Herrn 1966 das Licht der Welt erblickte, wußte ich noch nicht, was das Leben mit mir vorhat.
Die ersten zehn Jahre meines Lebens hatte ich das Glück, in dem Ort zu wohnen, in dem ich auch geboren wurden: In Großenhain. Es waren wundervolle Jahre, obwohl ich mich an die Zeit in der Kinderkrippe und im Kindergarten nur schlecht erinnere. Einzig meine Lieblingskindergärtnerin ist mir noch mit ihrem Namen in Erinnerung. Und obwohl man mich einmal, so erzählte es mir meine Mutter, in die Besenkammer sperrte, weil ich die gräßliche Gräupchensuppe nicht aß, ging ich gern in den Kindergarten.
Ich wuchs behütet bei meiner Mutter und Oma auf. Meine Oma selbst stammte aus Siebenbürgen, welches bei ihrer Geburt noch zur Donaumonarchie Österreich-Ungarn gehörte. Daher sprach sie auch fließend ungarisch. Ende des zweiten Weltkriegs flüchtete sie mit ihren beiden Söhnen und ihrem Mann nach Deutschland und 1946 kam dann meine Mutter in Großenhain zur Welt.
Meine Mutter wohnte bis zu meinem achten Lebensjahr in Großenhain und zog dann nach Berlin, in den Prenzlauer Berg und später dann nach Strausberg. Der Grund dafür war der Abschluß ihres Studiums und die wesentlich besseren beruflichen und finanziellen Aussichten durch eine Anstellung bei der NVA.
Ich selbst blieb in Großenhain und meine Oma zog mich bis zum zehnten Lebensjahr auf. Sie tat das mit großer Liebe und Fürsorge und die drei Jahre meines Schullebens an der Hermann-Matern-POS habe ich in bester Erinnerung. Ich war ein sehr aufgewecktes und aufgeschlossenes Kind, welches mit seinen Freunden auch sehr viel Unfug in seiner Freizeit verzapfte. Der ABV war schon einige Male bei uns zu „Gast“, aber damals waren Polizisten noch Menschen, die genau hinsahen und auch verstanden. Heutzutage ist das anders, die Polizei ist schon lange nicht mehr „Freund und Helfer“; die Schwachen werden drangsaliert, vor den Starken wird Reißaus genommen.
Ich weiß noch, wie wir Kinder die alte Feldsteinmauer hinter der Kulturstätte abtrugen, weil wir auf die andere Seite wollten.
Meine Oma hatte einen großen Garten, in dem sie Obst und Gemüse anbaute.
Was hat sie geschuftet! Zunächst, damit alles wächst und gedeiht, um es später dann, wenn geerntet wurde, alles einzukochen oder zu Saft, Wein und Marmelade zu verarbeiten. Und „nebenher“ arbeitete sie im Dreischichtensystem als Weberin am Webstuhl.
Den „Dank“ für ihr hartes Arbeitsleben erhielt sie, als sie Rentnerin wurde: Gerade einmal gut 300 DDR-Mark betrug ihre Rente. Wenn ich mir dann manchen Schmierlappen und seine Frau anschaue, die zu DDR-Zeiten brav ihr Parteiabzeichen trugen und nach der Wende zu Kapitalisten wurden, um sich zum Beispiel eine MTS unter den Nagel zu reißen und selbst wohl nie so richtig in ihrem Leben gearbeitet haben, dann kommt mir das große Kotzen. Von dem Haus, in dem diese Schmarotzer wohnen, konnte meine Oma nur träumen.
Viele Stunden verbrachte ich im Garten meiner Oma und half so gut es ging, aber als kleines Kind war das natürlich nicht so viel. Aber an die langen Strecken vom Garten nach Hause, mit dem Handwagen voller Obst und Gemüse, die Waldaer Straße entlang, kann ich mich gut erinnern.
Und dann waren da noch die unzähligen Stunden, die wir als Kinder im Schacht und im Stadtpark verbrachten. Die Kopfweiden am Stinkgraben waren ein wahres Paradies und wir hatten dort ein kleines Baumhaus, was niemand außer uns kannte.
Aufgrund der Herkunft meiner Oma waren wir zu DDR-Zeiten einige Male in Rumänien und verbrachten dort unseren Urlaub. Omas Schwestern und Brüder waren arme, einfache Leute, mit einem großen Herzen. Sie hätten ihr letztes Hemd gegeben.
Auf der Hinreise nach Mediaș mit dem Balt-Orient-Expreß nahmen wir viele Dinge mit, die es in Rumänien nicht zu kaufen gab und ebenso voll bepackt traten wir die Rückreise an. Dieses Mal mit schönem Glasschmuck – die Glasfabrik Vitrometan ist in der Welt ein berühmter Begriff – und Lebensmitteln, die es wiederum in der DDR nicht gab, jedenfalls nicht für normale Menschen.
Mein bester Freund während der drei Schuljahre in Großenhain war Udo. Jede freie Minute verbrachten wir zusammen, wenn das denn möglich war. Udo war größer und auch stärker als ich und obwohl ich nicht feige war, brachte mich meine große Klappe das eine oder andere Mal in Schwierigkeiten und nicht jedesmal gelang es mir, als Sieger aus den kindlichen Auseinandersetzungen hervorzugehen. Und ich weiß noch, einmal sah es sehr schlecht für mich aus, das war direkt nach der Schule. Udo zögerte keine Minute und kam mir zu Hilfe. Der andere hatte dann zwei blaue Augen.
Eines Tages kamen wir auf die Idee, etwas „Wertvolles“ im Stadtpark zu vergraben. Was genau es war, weiß ich nicht mehr. Aber wir wollten es dann, nach vielen, vielen Jahren, wenn wir schon längst erwachsen wären, wieder ausgraben und uns erinnern.
Aber es kam alles anders, als gedacht, denn mit dem Beginn der vierten Klasse wohnte ich nicht mehr in Großenhain.